Diverse Guerilla-Aktionen mit Beat Camenzind in der Photobastei, Zürich 2014
Interview mit der Fotografin Sabine Troendle
von Beat Camenzind
Frau Troendle, Sie kritisieren die Photobastei, ein Hochhaus Mitten im Zürcher Bankenviertel, in dem für ein halbes Jahr auf sieben Stockwerken Fotografie ausgestellt wird. Weshalb?
Es gibt schlicht nicht so viele gute Arbeiten, um während so langer Zeit in diesem Turnus die Bastei zu bespielen. Neunzig Prozent der Arbeiten sind nicht ausstellungsreif. Die Medien bejubeln das Projekt: Sie vermitteln den Eindruck, hier seien wichtige Arbeiten zu sehen. Es wäre besser, von Labor zu reden und dazu zu stehen, dass das Meiste, was da hängt, nirgends sonst je hängen könnte. Denn der Riesenevent macht noch lange keine gute Arbeit. Noch mehr Event auch nicht. Und noch viel mehr Event lässt den Ballon irgendwann einfach mal zerplatzen.
Sie sprechen auf den Fotografie-Hype an, der in Zürich grassiert?
Es ist kontraproduktiv zu behaupten, hier passiere was Wichtiges für die Fotografie. Es wirft eher ein etwas zweifelhaftes Licht auf die Schweizer Fotografie, wenn das als Repräsentativ gelten sollte. Hier hängt durchaus interessante, forschende, zeitgemässe Fotografie. Doch neben all dem Durchschnittlichen, Braven, Konservativen kommt sie nicht mehr zur Geltung. Wenn sich auf 7 Stockwerken wöchentlich X Arbeiten nebeneinander präsentieren, macht das auch gute Arbeiten langweilig. Das ist der simple Overkill.
Sie gehen jetzt aber hart ins Gericht mit den Ausstellungsmachern?
Der fotografische Ansatz ist konservativ. Es fehlt am Weiterdenken und am Experimentieren. Es gibt keine Versuche, keine Installationen, keine Improvisationen, wenig Schnelles, Lebendiges. Lieber schöne Highend Prints in Serien. Im ganz üblen Fall auch noch auf eklig teurem Papier gedruckt.
Die Photobastei unter Romano Zerbinis Regie verspricht, während acht Monaten mit bis zu fünfzig gleichzeitig stattfindenden Ausstellungen und wöchentlichen Vernissagen das “Grösste Fest der Fotografie” zu feiern. Ab ca. 220 Franken ist man dabei.
Beat Camenzind und Sabine Troendle nutzen die Zwischennutzung des Hochhauses an der Bärengasse um auf den Zustand des Mittelstandes hinzuweisen. Die Photobastei – das Haus im Bankenviertel – eignet sich für diese Guerilla-Aktion besonders: die UBS ist weggezogen und die neue Besitzerin, eine Investment-Firma, wollte eine Besetzung verhindern. Das sollen nun Fotografen mit ihren Bildern tun. Und dafür Miete bezahlen.
Am 20. März 2014 betreten die Fotografin Sabine Troendle und der Journalist Beat Camenzind das Haus zur Bastei. Mit dabei haben sie ein lebensgrosses Bild des verkaterten Beat Camenzind.
An Jury und Einzahlungsschein vorbei, finden die beiden eine freie Koje und kleben das Bild hin. Mit einer eigens dafür kreierten Email-Adresse neben dem Bild, weisen sie auf die Urheber der Aktion hin.
Bemerkt werden sie nur von ein paar Besuchern, die ihnen neugierig dabei zusehen.
Der Mittelstand ist verkatert.
Am 25. März kehren sie zur Bastei zurück. Sie eintfernen das Bild und hinterlassen eine Notiz:
Der Mittelstand ist weg.
Die Guerilla-Aktion weist auf die absurde Situation hin, dass Fotografen mit ihren Werken eine Besetzung des freistehenden Gebäudes verhindern und dafür noch bezahlen sollen.
Keine Posteingänge im Mail.
Der Mittelstand ist weg.
Um diese Aktion gebührlich zu feiern, laden Beat Camenzind und Sabine Troendle am 1. Mai 2014 zur Guerilla-Diashow. Wieder benutzen sie dazu eine freie Koje in der Photobastei und zeigen das Making-of der ersten Aktion mit Diashow und Dosenbier.
Vernissage am 1. Mai 2014
Folglich des verzweifelten Aufruf Romano Zerbinis’ - es drohe der Bastei ein Defizit von bis zu 75’000 Franken - findet am 21. August die ‘Aktion Schöner Wohnen’ in der Photobastei statt. Künstler spenden Bilder, den Erlös erhält die Photobastei. Beat Camenzind und Sabine Troendle beschliessen, das Bild ‘Der Mittelstand ist verkatert’ der Photobastei zu schenken und laden Freunde und Bekannte zur Vernissage ein.
Der Mittelstand ist käuflich.
21. August, Vernissage von ‘Aktion Schöner Wohnen’ - das Bild hängt nirgends. Basteileiter Zerbini und seine Assistentin erklären: ‘Das Bild ist total zerfetzt. Dafür können wir nicht 1000 Franken verlangen. Nehmt es doch wieder mit.’
Der Mittelstand ist durchgefallen.
Mit dem Bild unterm Arm schlendern die beiden durch die Bastei
und stossen auf einen Kübel mit Kleister.
Der Mittelstand ist durchgefallen
aber mit Nathalie Killias’ Unterstützung findet das Werk doch noch einen geeigneten Platz.
Am Tag darauf erreicht uns eine Nachricht von einer Besucherin:
das Bild läge zerknittert im Abfall bei der Tür.
Der Mittelstand ist durchgefallen.